Rosa Geld und die Geschichte dazu
Rosa Geld ist das Geld der LGBT Community. Der Begriff bezeichnet ihre potenzielle Kaufkraft und gleichzeitig ihre Bereitschaft zu politischen Spenden, die in einigen Fällen einen beträchtlichen Einfluss haben.
Wie hat sich das rosa Geld etabliert?
Die Schwulen- und Lesbenbewegung konnte sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in westlichen Industrienationen etablieren. Das bedeutet: Sie wird öffentlich überwiegend positiv wahrgenommen. Es gab sie schon immer, doch aufgrund rigider Gesetze, die in vielen Staaten der Welt heute noch herrschen, musste sie sich lange verstecken – auch in Europa und Nordamerika. Inzwischen gehört sie zur gesellschaftlich akzeptierten Realität inklusive liberaler Gesetze und der Homo-Ehe, was für die Wirtschaft ihre Kaufkraft und für politische Parteien ihre Spendenbereitschaft sehr interessant macht. Lange Zeit war für die meisten Unternehmen das rosa Geld ein Randmarkt, inzwischen fließt es in eine florierende Industrie westlicher Industrienationen. Viele Unternehmen vermarkten einige ihrer Produkte gezielt für Kunden der LGBT Community. Beispiele wären:
- Geschäfte, Nachtclubs, Restaurants und Taxiunternehmen wenden sich gezielt an die LGBT Kundschaft. Diese fühlt sich durch Dienstleister bisweilen diskriminiert und bevorzugt daher Unternehmen, die offen mit ihrer Toleranz gegenüber diesen Kunden werben.
- Künstler-Ikonen der LGBT Community wie Madonna, Kylie Minogue, Lady Gaga oder Cher erzielen große Umsätze mit rosa Geld.
- Kosmetik- und Modeunternehmen umwerben diese Zielgruppe und vermarkten einige Marken direkt, wenn auch subtil nur für sie.
- Besonders in Großbritannien haben sich schon recht viele Hochzeitsdienste speziell für homosexuelle Paare gegründet.
- Einige britische Radiostationen und Fernsehsender wenden sich nur an Schwule und/oder Lesben.
- Britische Spezialagenturen vermitteln homosexuelle Bauarbeiter und Klempner.
- In den USA hat American Airlines Kampagnen für Schwule und Lesben gestartet und damit den Umsatz mit rosa Geld in den Jahren 1994 bis 1999 von 20 Millionen auf 194 Millionen Dollar gesteigert. Ein eigenes Marketing-Team war für diese Kampagnen verantwortlich.
Das Engagement der Wirtschaftsunternehmen lohnt sich. Von 1998 bis 2015 stieg der Anteil des nachweisbar ausgegebenen rosa Geldes allein in den USA von 560 auf 917 Milliarden Dollar. Besonders die Unterhaltungs- und Konsumgüterindustrie profitieren davon.
Welchen gesellschaftlichen Wert hat rosa Geld?
Durch die Wirtschaftskraft von rosa Geld kann sich die LGBT-Bewegung positiv identifizieren. Gerade in westlichen Gesellschaften sind wir das, was wir konsumieren können. Wir sind als Verbraucher mächtig. Wenn wir als vermeintliche „Randgruppe“ inzwischen (geschätzt für 2019) allein in den USA vermutlich eine Billion Dollar ausgeben, kann man uns nicht ignorieren. Daher unterstützen rund 90 % aller Lesben, Schwulen und Transgender diejenigen Unternehmen, die gern rosa Geld verdienen wollen. Als (latent) homophob oder lesbenfeindlich betrachtete Unternehmen werden gemieden. Natürlich sind die Haltungen der Firmen in dieser Frage nicht auf den ersten Blick erkennbar, doch es gibt unterschwellige Codes. Wenn etwa von einem Konzern bekannt wird, dass einer seiner Vorstände homosexuell ist, spricht das für diesen Konzern. Dabei geht es nicht einmal vorrangig darum, dass es diese Person in den Vorstand geschafft hat, sondern darum, dass der Konzern die öffentliche Wahrnehmung hierzu unterstützt. Allerdings gibt es keinen positiven Effekt ohne konstruktive Kritik. Manche Gruppen der Bewegung befürchten, dass das aktive Werben um rosa Geld zu einer neuen Spaltung oder Diskriminierung führt. Diese Gruppen möchten im Grundsatz die Frage der sexuellen Identität – die bei allen Menschen eigentlich nicht eindeutig ist – nicht so sehr in den Vordergrund stellen. Damit wird aus ihrer Sicht die Integration der betreffenden Personen viel besser unterstützt, Diskriminierungen lassen nach.
Rosa Geld in Großbritannien
Den jährlichen Umsatz des rosa Pfunds schätzt man auf rund sechs Milliarden Pfund. Dabei werden einige spezifische Produkte etwa aus dem Kosmetikbereich sehr stark verkauft und machen dementsprechend das Gros des Gesamtumsatzes aus. Die britische Wirtschaft interessiert sich sehr für das Phänomen und hielt erstmals 2006 in London eine spezialisierte Pink Pound Conference ab. Auch britische Marktforscher konferieren zur Thematik. Gruppen und Organisationen wie OutRage!, Queer Youth Alliance und die NUS-LGBT-Kampagne werben für das rosa Pfund.
USA
Das rosa Geld heißt in den USA Pink oder Dorothy Dollar. Die US-Wirtschaft fokussiert stark darauf, dass LGBT-Haushalte DINK-Haushalte sind (dual income, no-kids), die sich per se konsumfreudiger verhalten. Dementsprechend versuchen auch US-Unternehmen, bei diesen Gruppen Pink Dollar abzuschöpfen. Aus den USA ist der Einfluss von rosa Geld auf die Politik auch am besten dokumentiert. Die entsprechenden Gruppierungen spenden dieses Geld in eine ganz bestimmte Richtung. Für die Demokraten ist die Spendenbereitschaft der Schwulen-, Lesben- und Transgenderbewegung genauso wichtig wie die der Gewerkschafter, der jüdischen Gemeinde und übrigens auch der Prozessanwälte. Demokratische Präsidentschaftskandidaten, die gezielt um rosa Geld warben, waren bislang:
- Bill & Hillary Clinton
- Barack Obama
- Al Gore
- John Kerry
- Howard Dean
- John Edwards
- Joe Biden
Potenzial in Deutschland
Laut der 2016 veröffentlichten Dalia-Studie lassen sich in Deutschland 7,4 % aller Erwachsenen der LGBT Community zuordnen. In Europa ist Deutschland damit Spitzenreiter vor Spanien (6,9 %) und Großbritannien (6,5 %). Ob die Zahlen exakt sind, weiß niemand, weil das Bekenntnis auch im Rahmen einer anonymisiert durchgeführten Studie vom gesellschaftlichen und politischen Umfeld abhängt. So bekannten sich im rechtskonservativen Ungarn nur 1,5 % aller Befragten zu ihrer Zugehörigkeit. Wenn die für Deutschland ermittelte Prozentzahl aber stimmt, dann würde die gesamte deutsche queere Community – Schwulen, Lesben und Transgender – bei insgesamt monatlich 2.517 Euro Konsumausgaben pro deutschem Haushalt (Quelle: Statistisches Bundesamt) und 40,4 Millionen deutschen Haushalten immerhin jährlich 90,3 Milliarden rosa Euro ausgeben, also prozentual noch mehr als die Amerikaner. Das ist eine Summe, an der auch die deutsche Wirtschaft nicht vorbeikommt.